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ich Ihnen denn irgendworin nützlich sein?«
»Nützlich?« sagte der Major mit bewegter Stimme. »Mein Gott,
mein lieber Monsieur Benassis, der Dienst, den mir zu erweisen
ich Sie bitten wollte, ist beinahe unmöglich. Sehen Sie, ich habe
wohl Christenmenschen in meinem Leben getötet, doch kann man
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Leute töten und ein gutes Herz haben; so rauh ich auch erscheinen
mag, kann ich doch gewisse Dinge verstehen ...«
»Aber reden Sie!«
»Nein, freiwillig mag ich Ihnen keinen Schmerz bereiten.«
»Oh, Major, ich kann sehr viel ertragen!«
»Mein Herr,« sagte der Militär bebend, »es handelt sich um eines
Kindes Leben ...«
Benassis' Stirn faltete sich plötzlich, er forderte aber Genestas
durch eine Gebärde zum Weiterreden auf.
»Ein Kind,« fuhr der Major fort, »das durch beständige und
gewissenhafte Pflege noch gerettet werden kann. Wo aber soll
man einen Arzt finden, der imstande wäre, sich einem einzigen
Kranken zu widmen? Sicherlich in keiner Stadt. Ich hatte von
Ihnen als von einem ausgezeichneten Manne reden hören, hatte
aber Angst, von einem angemaßten Rufe getäuscht zu werden.
Nun, ehe ich meinen Kleinen jenem Monsieur Benassis, von dem
man mir so viele schöne Dinge erzählte, anvertraute, wollte ich
ihn kennenlernen. Jetzt ...«
»Genug,« sagte der Arzt. »Das Kind gehört also Ihnen?«
»Nein, mein lieber Monsieur Benassis, nein; um Ihnen dies
Geheimnis zu erklären, müßte ich Ihnen eine Geschichte erzählen,
in der ich nicht die schönste Rolle spiele; doch Sie haben mir Ihre
Geheimnisse anvertraut, also kann ich Ihnen wohl auch meine
sagen.«
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»Warten Sie, Major,« sagte der Arzt, indem er Jacquotte rief, die
sofort kam, und bei der er seinen Tee bestellte. »Sehen Sie, Major,
abends, wenn alles schläft, schlafe ich nicht ... All mein Kummer
stürmt dann auf mich ein, und ich suche ihn dann beim Teetrinken
zu vergessen. Dies Getränk verschafft mir eine Art nervösen
Rauschzustandes, einen Schlaf, ohne den ich nicht leben würde.
Wollen Sie immer noch keinen trinken?«
»Ich ziehe Ihren Eremitagewein vor,« erwiderte Genestas.
»Gut. Jacquotte,« sagte Benassis zu seiner Haushälterin,
»bringen Sie Wein und Biskuits. Wir wollen uns für die Nacht
berauschen,« fuhr der Arzt, sich an seinen Gast wendend, fort.
»Der Tee muß Ihnen doch sehr schaden!« sagte Genestas. »Er
verursacht mir furchtbare Gichtanfälle, aber ich könnte von dieser
Gewohnheit nicht lassen, sie ist zu süß, sie verschafft mir
allabendlich einen Augenblick, währenddessen das Leben weniger
drückend ist ... Nun, ich höre Ihnen zu. Ihre Erzählung wird
vielleicht den allzu lebhaften Eindruck der Erinnerungen, die ich
eben wachgerufen habe, mildern ...«
»Mein lieber Herr,« sagte Genestas, sein leeres Glas auf den
Kamin stellend, »nach dem Rückzuge von Moskau erholte sich
mein Regiment in einem kleinen Dorfe Polens. Wir kauften uns
dort für ein Sündengeld neue Pferde und blieben bis zu des
Kaisers Rückkunft daselbst in Garnison. Nun, da ging's uns gut!
Ich muß Ihnen sagen, daß ich damals einen Freund hatte.
Während des Rückzuges wurde ich mehr als einmal durch die
Sorgfalt eines Unteroffiziers namens Renard gerettet, der für mich
Dinge tat, woraufhin zwei Männer außerhalb der Forderungen der
Disziplin Brüder sein müssen. Wir waren zusammen in dem
gleichen Hause untergebracht, in einem jener aus Holz
gezimmerten Rattenlöcher, wo eine ganze Familie hauste und Sie
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gemeint hätten, kein Pferd einstellen zu können. Diese elende
Hütte gehörte Juden, die ihre sechsunddreißig Gewerbe darin
ausübten, und der alte Judenvater, dessen Finger nicht zu steif
geworden waren, um Gold anzufassen, hatte während unseres
Rückzuges gute Geschäfte gemacht. Diese Leute da leben im
Dreck und sterben im Golde. Ihr Haus war über Kellern aus Holz,
wohlverstanden, erbaut, in welche sie ihre Kinder gesteckt hatten,
und vor allem eine Tochter, die schön war, wie eine Jüdin, wenn
sie sich sauber hält und nicht blond ist. Die war siebzehnjährig,
weiß wie Schnee, hatte Samtaugen, Wimpern schwarz wie
Rattenschwänze, glänzende dichte Haare, die zum Streicheln
lockten; ein wirklich vollkommenes Geschöpf! Kurz, mein Herr,
ich bemerkte als erster diese eigenartigen Vorräte eines Abends,
als man mich schlafen wähnte und ich, mich auf der Straße
ergehend, in Frieden meine Pfeife rauchte. Wie eine Hundebrut
krabbelten die Kinder alle durcheinander. Das war lustig
anzusehen. Vater und Mutter aßen mit ihnen zu Abend. Nach
langem Hinsehen entdeckte ich in den Rauchschwaden, die der
Vater mit seinem Pfeifenqualm hervorrief, die junge Jüdin, die
wie ein funkelnagelneuer Napoleon aus einem Haufen grober
Sous hervorleuchtete. Ich, mein lieber Benassis, habe nie Zeit
gehabt, über die Liebe nachzudenken; doch als ich das junge
Mädchen sah, begriff ich, daß ich bis dahin nur der Natur
nachgegeben hatte; diesmal aber war alles dabei: Kopf, Herz und
der Rest. Ich verliebte mich also vom Kopf bis zu Füßen, oh, aber
heftig! Meine Pfeife rauchend, blieb ich da stehen, mit dem
Anschauen der Jüdin beschäftigt, bis sie ihre Kerze ausgeblasen
und sich schlafen gelegt hatte. Es war mir nicht möglich, ein Auge
zuzumachen! Ich blieb die ganze Nacht über auf, stopfte meine
Pfeife, rauchte sie und ging die Straße auf und ab. So was hatte
ich noch nie erlebt. Es war das einzige Mal in meinem Leben, daß
ich ans Heiraten dachte. Als es Tag wurde, sattelte ich mein Pferd
und trabte zwei gute Stunden lang durchs Feld, um wieder frisch
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zu werden, und ohne es zu merken, hatte ich mein Tier fast lahm
geritten ...«
Genestas hielt inne, sah seinen neuen Freund mit unruhiger Miene
an und sagte zu ihm:
»Entschuldigen Sie, Benassis, ich bin kein Redner, ich spreche,
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