[ Pobierz całość w formacie PDF ]

»Nun ja, das sehen wir dann. Alles zu seiner Zeit, würde ich
sagen. Erst einmal müssen Sie jetzt schön Ihre Übungen machen
mit dieser & reizenden Krankenschwester«, Montsignac deutete
auf die Tür und schmunzelte, »damit Sie bald wieder auf den Bein-
en sind, n est-ce pas?« Seine Augen glitzerten belustigt. »Aber so
eine kleine Weihnachtsgeschichte, illustriert von Ihrer Freundin
Rosalie Laurent  das schreiben Sie doch zwischen Suppe und
Pudding.«
»Nicht, wenn beides so grässlich schmeckt wie in diesem Spital.«
»Sie sind verwöhnt, mein lieber Marchais  ich wünschte, meine
Frau würde so gut kochen wie Ihre Madame Bonnier. Dummer-
weise liest sie lieber.«
Sie hatten gelacht, und nun war er tatsächlich seit einigen Tagen
wieder zu Hause und löffelte gerade die reichhaltige Crème brûlée,
die ihm Marie-Hélène eben im Esszimmer serviert hatte. Mit einem
zufriedenen Seufzer wischte Max sich mit seiner Stoffserviette über
den Mund und ging anschließend, gestützt auf seinen beiden
Krücken und mit vorsichtigen kleinen Schritten, in die Bibliothek
hinüber. Es war ein Wunder, dass er sich nach der Operation schon
wieder so gut vorwärtsbewegen konnte. Das Wort Fortschritt
bekam mit einem Mal eine ganz neue Dimension. Selbst Professeur
Pasquale war überrascht gewesen, wie gut sich »die Hüfte von Zim-
mer 28« machte und hatte sich auf Max stetiges Drängen hin
schließlich darauf eingelassen, dass man die Rehabilitationsphase,
die nach dem Klinikaufenthalt nötig wurde, auch ambulant durch-
führen konnte.
Jeden Tag fuhr Max nun also mit dem Taxi in der Nähe der
Klinik zu einem Physiotherapeuten, der die erforderliche Kranken-
gymnastik mit ihm machte. Etwas umständlich vielleicht, aber doch
225/308
ungleich besser, als irgendwo in einer Reha zu hocken und Depres-
sionen zu bekommen. Professeur Pasquale hatte ihm noch geraten,
sämtliche Stolperfallen aus dem Haus zu entfernen, Haltegriffe und
Sitzbänke im Bad anbringen zu lassen und Leitern für eine Weile zu
meiden.
Max stellte die Krücken beiseite, ließ sich ächzend in seinen
Schreibtischstuhl fallen und schaute in den Garten hinaus, der in
der Mittagssonne friedlich dalag. Dann nahm er den Hörer ab und
wählte Rosalie Laurents Nummer.
Sie war gerade im Laden und hatte Kundschaft, doch ihre Freude
über seinen Anruf war nicht zu überhören. Es wurde ein kurzes
Telefonat, aber es dauerte doch lange genug, um das Wichtigste zu
tun: Rosalie für den Samstag zum Kaffee nach Le Vésinet
einzuladen.
»Wie schön, dass Sie wieder zu Hause sind, Max, ich komme sehr
gerne«, hatte sie gesagt. »Soll ich etwas mitbringen?«
»Das ist nicht nötig, Marie-Hélène wird uns eine Tarte tatin
backen. Bringen Sie einfach sich selbst mit.«
Lächelnd legte Max den Hörer auf und saß noch eine Weile
gedankenverloren an seinem Schreibtisch. Am Ende des Telefonats
hatte Rosalie gesagt, dass sie gern noch etwas mit ihm besprechen
wolle, wenn sie nach Le Vésinet käme. Was sollte das sein?
Max überlegte kurz und merkte dann, wie ihn eine angenehme
Müdigkeit erfasste. Seit dem Krankenhausaufenthalt hatte er sich
angewöhnt, einen kleinen Mittagsschlaf zu halten. Und hier in der
friedlichen Stille der alten Villa störte ihn glücklicherweise auch
niemand dabei. Er griff nach seinen Stöcken und erhob sich um-
ständlich aus dem Sessel. Wahrscheinlich hatte Montsignac Rosalie
wegen dieser Weihnachtsgeschichte angespitzt, und sie sollte ihn
nun dazu überreden. Dieser alte Fuchs!
226/308
Kopfschüttelnd ging er zur Tür. Als er an dem alten Vertiko
vorbeikam und einen wohlgefälligen Blick auf sein Lieblings-
gemälde warf, das eine heitere südfranzösische Landschaft am
Meer zeigte, bemerkte er plötzlich etwas, das ihn stutzen ließ.
In der alten schwarzen Remington, die er seit Jahrzehnten schon
nicht mehr benutzte und mehr aus nostalgischen Gründen aufbe-
wahrte, steckte ein Bogen Papier.
Verwundert drehte Max an dem seitlichen Rädchen und zog das
Blatt aus der Rolle. Was er sah, versetzte ihn in eine merkwürdige
Unruhe. Die blassblauen Zeilen erschienen ihm wie eine Botschaft
aus der Vergangenheit. Konnte es so etwas geben?
Sein Herz klopfte schneller, und er fühlte sich wie ein Zeitreis-
ender, der in rasendem Tempo durch den leeren Raum fiel.
Auf dem Blatt, das er in der Hand hielt, standen die ersten Sätze
der Geschichte vom blauen Tiger. Geschrieben vor fast vierzig
Jahren. Auf dieser alten Remington.
25
»Manchmal passieren eben Dinge im Leben, mit denen man über-
haupt nicht gerechnet hat«, hatte er ihr erklärt, als sie wie jeden
Freitag über Skype miteinander telefonierten, und seine Stimme
war ein wenig schuldbewusst, aber auch sehr bestimmt gewesen, so
wie die zeitversetzten Bilder seines Gesichts, das unter kalifornis-
cher Sonne eine goldbraune Färbung angenommen hatte. »Ich
dachte, ich sag s dir lieber gleich«, fügte er freimütig hinzu und
lächelte sie in seiner jungenhaften Art vom Bildschirm an. »Ich
hoffe, wir können Freunde bleiben.«
In der Tat hatte Rosalie mit vielem gerechnet. Jedoch sicher
nicht damit, dass René über Skype ihre Beziehung beenden würde.
So etwas war ihr überhaupt noch nicht passiert. Trotzdem hätte sie
es kommen sehen müssen, und wenn sie nicht so sehr von den
Ereignissen und gefühlsmäßigen Verwirrungen ihres eigenen
Lebens vereinnahmt gewesen wäre, hätte sie die Zeichen sicher
früher erkannt.
Fast drei Wochen waren vergangen, seit sie ihren Freund in Paris
zum Flughafen gebracht hatte. Von Anfang an hatte sie den
Eindruck gehabt, dass René sich auf seinem Seminar in San Diego
pudelwohl fühlte  immer wenn sie mit ihm sprach, war ihr dieser
etwas altmodische Ausdruck in den Sinn gekommen. Bei jedem
seiner Anrufe hatte sich die Stimme ihres Freundes vor Begeister-
ung überschlagen. Zack Whiteman  ein Gott. Die Seminarteil-
nehmer  aufgeschlossen, locker und mit dem richtigen Spirit. Die
228/308
langen, goldfarbenen Strände  unglaublich. Das Klima  phant-
astisch. Alles war perfekt, das hatte sie schon begriffen.
»Der neueste Trend ist jetzt Roga«, hatte René erzählt. »Das
Beste, was du für deinen Körper tun kannst.«
»Roga?«, hatte sie misstrauisch wiederholt, während sie mit ihr-
er Kaffeetasse im Bett saß und gehofft hatte, dass sie niemals einen
Sport würde ausüben müssen, der schon anstrengend klang, wenn [ Pobierz caÅ‚ość w formacie PDF ]

  • zanotowane.pl
  • doc.pisz.pl
  • pdf.pisz.pl
  • leike.pev.pl